Gesellschaftlicher Aktionismus

Aktionismus: […] Der Begriff steht auch für unorganisierte politische oder soziale Aktionen, die zwar eine Veränderung bestehender gesellschaftlicher Verhältnisse bezwecken, deren Ziele aber weder genau definiert noch zu Ende gedacht und deren Konsequenzen meist nicht bedacht sind. […]
(https://de.wikipedia.org/wiki/Aktionismus)

Das Jahr 2015 hat mit einer Flüchtlingswelle nach Nord- und Mitteleuropa aufgehört, wie es sie schon lange Zeit nicht mehr gegeben hat. Sicher war diese Welle in Grenzen vorhersehbar und hat auch ihre Gründe, doch darum soll es diesmal an dieser Stelle nicht gehen. Zum Jahreswechsel kam es dann in Köln und anderen Städten gehäuft zu Übergriffen auf junge Frauen, nordeuropäische Länder führen nach vielen Jahren wieder Grenzkontrollen ein und vieles mehr.

Ja, wir leben gerade aktuell wieder in einer Zeit, in der sich einiges tut.

Und plötzlich, jetzt wo sich – wenigstens in der Presse, ob links oder rechts – wieder eindeutige Feindbilder formen lassen, kommen sie alle aus ihren Katzenvideos und sonstigen Belanglosigkeiten hervorgekrochen und üben sich in blindem Aktionismus, posten Parolen und markige Sprüche und wissen Alles besser. Vor wenigen Wochen hieß es noch „Politik, das interessiert mich nicht.“, „Politik, da kann man ja eh nichts bewirken“ und jetzt sind sie dabei, Leute verbal zu verurteilen, zu verprügeln, zu stürzen und zu bedrohen. Ganz egal, ob von der linken, oder der rechten Seite des politischen Spektrums. Nur aus der Mitte, da ist es ruhig geworden. Bei den Leuten, bei der Presse und den Politikern. Die Leute wollen sich da raushalten, die Presse kann sonst keine Klicks generieren und die Politiker keine Stimmen gewinnen.

Doch um was geht es eigentlich?

Immer mehr Leute sind mit der politischen Wirklichkeit nicht zufrieden, egal welcher politischen Richtung sie anhängen. In vielen Fällen sicher auch nicht unbegründet. Sie alle schreiben sich auf die Fahnen „Deutschland“ zu verteidigen, die Eine oder die Andere Facette von Deutschland, die ihnen halt wichtig ist.

Doch wie kann man etwas verteidigen, nach dem man selbst nicht lebt?

Wie kann ich persönliche Freiheit verteidigen, in dem ich – Gruppen anderer Leuten per se – persönliche Freiheit verbiete? Wie kann ich die Einhaltung von Regeln einfordern, ohne sie selbst befolgen? Wie glaubwürdig macht man sich dann mit solchen und ähnlichen Aktionen?

Es gibt viel zu tun, ja.

Die Politik hat zu lange zugeschaut ohne zu handeln, die Zeichen nicht gesehen, mit denen man die aktuelle Situation vielleicht in dem jetzigen Grad hätte verhindern können. Aber ein Gutes hat es, jetzt kann sie sich nicht mehr vor den Problemen verstecken, jetzt muss sie Probleme wirklich analysieren, wirkliche Lösungen für Probleme finden und kann sie nicht weiter – mangels Auswirkungen – einfach ignorieren.

Das Problem ist nur, es sind keine einfachen Probleme, die einfache Lösungen haben. Es sind komplexe Probleme, die komplexe Lösungen erfordern. Einfache Lösungen sind toll, markant, plakativ, schnell zu erfassen, perfekt für die schnelllebige Zeit in der wir leben, nur leider führen sie selten – zu Ende gedacht – zu einer wirklichen Lösung.

Regeln und Gesetze einer Gesellschaft sind immer einem Wandel unterworfen, aber Wandel kostet Zeit, wenn er zielgerichtet sein soll. In der zwischen Zeit müssen die aktuell gültigen Regeln so gut es irgendwie geht und auch mit der notwendigen Härte, aber im Rahmen der Regeln, umgesetzt werden.

Ich finde es gut, das sich wieder mehr Leute mit Politik und der Gesellschaft befassen, aber nutzt doch die Zeit, die ihr in diesen Bereich steckt, auch dafür, Dinge wirklich mal durch zu denken, wirkliche Lösungen zu suchen und euch konstruktiv zu beteiligen, anstatt nur platt irgendwelche Parolen zu wiederholen, euch selbst über die Regeln, die ihr verteidigen wollte, hinweg zu setzten und die Probleme damit doch nur weiter vor sich her zu schieben. Platte Lösungen kann keiner ernst nehmen, spätestens, wenn es um die konkrete Umsetzung geht. Damit schadet man nur sich selbst und der Sache, die man erreichen möchte. Auch hier spielt das politische Lager wieder keine Rolle, es betrifft alle gleichermaßen.

Für mehr politisches Bewusstsein in der Gesellschaft, für mehr durchdachtes Handeln, in der Politik und in der Gesellschaft selbst! Besonders in nicht ganz so einfachen Zeiten!